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Plastic Planet

Dokumentarfilm A/D 2009, 95 min
Regie: Werner Boote

Plastik ist allgegenwärtig: Wir spielen und arbeiten damit, wir essen und trinken daraus, wir kleiden uns damit, wir wohnen darin. Kunststoffe sind zu einer Plage für die Erde und den Menschen geworden. Wie es dazu kam, zeigt Werner Boote in seinem mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm.

Der Regisseur reist rund um den Globus, um herauszufinden, welche Konsequenzen Plastik für uns und unseren Planeten hat. Obgleich Kunststoff aus unserem Leben kaum wegzudenken ist und es in vielerlei Hinsicht angenehmer macht, wissen wir kaum etwas über diesen Stoff, seinen Weg und seine Auswirkungen.

Mit fast naiver Neugier beginnt Boote seinen Film und führt uns die Auswirkungen und Folgen des massenhaften Gebrauchs von Plastik vor Augen. In den Weltmeeren findet man inzwischen sechsmal mehr Plastik als Plankton, ebenfalls sechsmal könnte man die Erde mit dem bisher hergestellten Plastik einpacken, ja selbst in unserem Blut lässt sich Plastik nachweisen. Die Kunststoffproduktion ist mittlerweile auf jährlich 240 Millionen Tonnen angestiegen. Und: Kunststoff ist langlebig. Er zersetzt sich erst nach Hunderten von Jahren. Er schädigt nicht nur das Ökosystem, sondern auch unsere Gesundheit.

Angesichts dieser besorgniserregenden Befunde stellt Boote Fragen wie: Warum ändern wir unser Konsumverhalten nicht? Warum reagiert die Industrie nicht auf die Gefahren? Wer ist verantwortlich für die Plastikmüllberge in den Meeren und Wüsten? Wer gewinnt dabei? Wer verliert?

Boote propagiert keine Lösungen. Ihm geht es vielmehr darum, zu informieren und aufzuklären über ein bislang wenig beachtetes, global wirksames Thema.

Filmkritik:

von Angelika Nguyen

Wir sind umzingelt. Es ist in unseren Zahnbürsten, Brotdosen, Einkaufstüten, Trinkflaschen, Laptops, Lampen, Stromleitungen, Möbeln. Babynuckeln, Spielzeugautos, Pressemappen. Die Gefahr ist bunt, pflegeleicht, abwaschbar, formbar: Plastik.

Vor über 50 Jahren trat der Kunststoff seinen Siegeszug durch die Konsumwelt an – und sitzt seitdem in jedem Haushalt. Doch seit einigen Jahren bröckelt das Image des Universalstoffes. Es ist von Giften die Rede, Chemikalien, die über Packungen und Behälter in die Nahrung gelangen. Die Mixturen zur Herstellung von Plastik seien so geheim, dass die Kunststoffindustrie selbst nicht zu 100 % wüsste, was sie da am Ende produziert. Tatsache ist, dass die getrennte Müllentsorgung von Plastik ein falsches Spiel ist, denn inzwischen ist klar, dass dieser Kunststoff nicht einfach verschwindet. Plastik gilt heute als unrecycelbarer Stoff. Da seine Beschaffenheit nicht ganz klar ist, wissen wir auch nicht, was entsteht, wenn wir es verbrennen. Plastik als Zeitbombe.

Regisseur Werner Boote beginnt seinen umweltkritischen Film “Plastic Planet” sehr persönlich. Ein kleiner Steppke, vier, fünf Jahre alt, rennt in 8 -mm-Filmen aufgeregt umher, denn er bekommt vor laufender Kamera andauernd Geschenke. Spielzeugautos, Buddelschaufel, einen bunten Kinderrecorder, Badetiere. Die Spielsachen haben alle eins gemeinsam: sie sind aus Plastik.

Der kleine Steppke ist Werner Boote. Die Spielsachen waren Geschenke seines Großvaters. Der Regisseur begibt sich in seinem Film auf eine ganz eigene lange Reise, vom Kind des Plastikalters hin zum kritischen Beobachter und Analysten der gesundheitlichen und ökologischen Gefahren von Plastik. Am Ende des Films steht Werner Boote mit Megaphon in einem Supermarkt und warnt die Kunden auf eigene Faust vor der bunten Gefahr.

Werner Boote ist Jahrgang 1965. Plastik kam damals groß in Mode. Es galt nicht nur als schön und praktisch, sondern auch als Symbol des Fortschritts. Wer immer noch Holzmöbel besaß, konnte es sich meist nur noch nicht leisten, zur Kunststoffwohnwelt zu wechseln. Der Großvater des kleinen Werner kam an Produkte dieses futuristischen Universalstoffes besonders gut heran, war er doch Geschäftsführer der Interplastikwerke. Der persönliche Ton bewahrt den Film davor, uns mit Fakten zu erschlagen. Bei aller Brisanz bleibt er leicht, temporeich, auch humorvoll. Nie wird er belehrend. Der Regisseur zeigt im Film nach einem Selbsttest seine Betroffenheit angesichts der hohen Konzentration von Bisphenol A im eignen Blut, das zeugungsunfähig machen kann. Bisphenol A ist eine Chemikalie, die Östrogen imitiert. Über Verpackungen, Brotdosen und Trinkflaschen tritt es aus und gelangt in die Nahrungsmittel.

Der Film reist rund um die Welt, begibt sich in sehr verschiedene Bereiche und Orte. Verseuchungsskandal in einer PVC-Fabrik in Venedig, Plastiktüten in der Sahara, verbotene Weichmacher in Shanghai, Plastikberge auf einer Müllkippe in Kalkutta, Pseudoplankton aus Kunststoff im Pazifik, Silikonbrüste bei einem Schönheitschirurgen in Beverly Hills. Werner Boote spricht mit Lobbyisten der Kunsstoffindustrie genauso wie mit Umweltforschern und Chemikern. Das gibt nicht immer nur nette Begegenungen. So sind wir dabei, als Werner Boote den ehemaligen Präsidenten von Plastics Europe, John Taylor auf einer Messe verfolgt, um ihm Hunderte Studien über die Schädlichkeit von Plastik – in Plastikordnern geheftet – zu überreichen.

Österreich entwickelt sich zum Land der Avantgarde politisch verantwortungsvoller Öko-Regisseure. Wie sein Landsmann Erwin Wagenhofer mit dem erfolgreichen Film “We Feed The World” die industrielle Lebensmittelherstellung global durchleuchtete, so geht der Wiener Werner Boote dem unguten Gefühl nach, das er zunehmend hat, wenn er Plastik in den Händen hält.

Der Film “Plastic Planet”, seit September 2009 ein großer Publikumserfolg in Österreich, hat auch erfreuliche Folgen. Aus dem fatalen Gefühl der Ohnmacht vieler Zuschauer gegenüber der globalmächtigen Kunststoffindustrie heraus hat eine Familie namens Krautwaschel in Graz ihren kompletten Haushalt auf plastikfrei umgestellt. Es war möglich, trotz einiger Schwierigkeiten.

Die Krautwaschels machen diesen Versuch auch für uns. Denn unser größter Feind, zeigt diese experimentierfreudige Familie, ist mehr noch als alle Kunststoffbosse der Welt -unsere Gewohnheit. Sensibler sei er geworden, sagt Werner Boote, er gehe aufmerksamer durch die Supermärkte, achte darauf, weniger Plastik einzukaufen.

Kein Zauberer kann uns helfen, die bösen Geister des einstigen Fortschrittmaterials zu vertreiben. Wir können selbst damit anfangen. Es muss ja nicht gleich der komplette Haushalt sein.

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